Die Professionalisierung des Unihockeysportes – viel thematisiert, diskutiert und philosophiert mit genauso vielen Meinungen wie Ansätzen und Ideen. Die exakte und richtige Definition ist mir persönlich nicht bekannt, entsprechend würde ich unsere Sportart als Leistungssport, aber nicht als Profisport betiteln. Ich lasse mich hier gerne eines Besseren belehren. Ebenso kann ich kein Wundermittel nennen, welches den Unihockeysport in die Professionalität führen kann. Am Ende gibt es nicht die EINE Massnahme, sondern es wird viel mehr die Summe aus vielen kleinen Veränderungen sein, welche das Schweizer Unihockey weiterbringen kann. Trotzdem ist meinem Titel zu entnehmen, dass ein «Gamechanger» das Unihockey in der Schweiz nachhaltig verändern kann.
Lasst mich aber zuerst einen Schritt zurückgehen. Was hat sich denn genau in meinem Einzelfall geändert: Seit 2021 komme ich in den Genuss von bis zu 100 Tagen Wiederholungskurs (WK) der Schweizer Armee. Hundert Tage, an welchen ich vom Berufsleben, und somit meiner Haupteinnahmequelle, «befreit» bin. Oder besser gesagt, mein Arbeitgeber wird vom Bund für meine Absenz monetär entschädigt. Für mich persönlich heisst das konkret:
Die Ferien geniessen und mich erholen
Ich starte bewusst mit dieser provokativen Aussage. Bevor du dich, werter Leser, jetzt aufregst und denkst, dass die Unihockeyaner auf Kosten der Steuerzahler faulenzen und nichts tun, lass es mich erklären. Gemäss Arbeitsgesetz sind Ferien dazu da, um sich zu erholen. Bisher bestand meine «Erholung» darin, an Czech Opens, in Trainingslagern, WM-Qualifikationen, Euro Floorball Tours und Weltmeisterschaften Höchstleistungen zu zeigen. 2018 investierte ich jeden meiner Ferientage ins Unihockey und musste dafür einen hohen Preis zahlen: Rückenschmerzen und Grippe an der Weltmeisterschaft in Prag. Die Erholung, welche ich meinem Körper und Geist das ganze Jahr vorenthalten hatte, forderte ihren Tribut. Mit der Unterstützung der Armee kann ich mir die Erholung gönnen, welche es mir dann erlaubt, im entscheidenden Moment fit zu sein und meine beste Leistung zu zeigen.
Spezifisches Skillstraining für die Details
Im Rahmen des Militärprogramms kam ich diesen Sommer in Genuss eines spezifischen Skillstraining in Andermatt. Zusammen mit Spezialisten konnte ich an Dingen arbeiten, die sonst im Trainingsalltag schnell vergessen gehen. Für mich ist ein wichtiger Schritt in die Professionalisierung der Zugang zu fachkundigem Personal auch auf Vereinsebene. Die Spieler können von den Inputs von Mentaltrainern, Skillcoaches oder Neuroathletiktrainern enorm profitieren. Liebe Vereine, das meine ich nicht als Vorwurf, wir wollen ja alle in die gleiche Richtung.
Gezielt auf Zusammenzüge vorbereiten
Der Start eines Nationalteam-Zusammenzug unter der Woche war für mich oft mit Stress verbunden. Frei- und Ferientage waren rar und so rückte ich oft direkt vom Büro und mit einem Snack von der Tankstelle ins Camp ein. Dank dem Militär kann ich nun ausgeruht, vorbereitet und anständig ernährt ins Trainingslager einrücken. Das zeigt sich auch direkt beim ersten Training, bei dem ich bereits physisch und mental 100% geben kann.
Kein «Länderspiel-Hangover» mehr
Nach Länderspielen oder Weltmeisterschaften landet man normalerweise am Sonntagabend und steht am Montagmorgen wieder mehr oder weniger munter im Büro.
Der Wäscheberg zuhause ist der Motivation auch nicht gerade zuträglich und der Kühlschrank ist ebenfalls leer. Gerade nach einem Wochenende mit drei intensiven Länderspielen oder einer WM-Woche wäre Erholung, Regeneration und Schlaf wichtig. Seit diesem Jahr kann ich mir diesen Tag Pause gönnen. Dank Regenerationstraining, genügend Schlaf und entsprechender Ernährung starte ich wesentlich energiegeladener in den Dienstag. Das freut nicht nur meinen Arbeitgeber, sondern auch den Coach meines Clubs.
Schlussendlich ist es wohl nicht das Skillstraining oder der Tag vor dem Zusammenzug, der den Unterschied macht. Wenn ich die Veränderungen seit Januar 2021 reflektiere, sind es die vielen Details. «Es sind ja nur fünf Minuten», mein absoluter Lieblingsspruch. Aber genau die fünf zusätzlichen Minuten Techniktraining, die fünf zusätzlichen Minuten Mobilisation usw. werden dem Programm den Erfolg geben.
Am Ende zeigt die Anzeigetafel, ob es ein Erfolg oder Misserfolg war. Aber es ist bekannt, dass Trainingsfleiss und Wiederholungen über viele Jahre mit dem sportlichen Erfolg korrelieren. Persönlich hoffe ich natürlich, dass diese neuen Rahmenbedingungen bereits kurzfristig greifen. Am besten schon ab dem 4. Dezember an der WM in Helsinki.
Autor
Luca Graf, Captain der Männer-Nati
Seit 2013 ist Luca ein fester Bestandteil der Nati und teilt sich die Rolle des Captains mit Tim Braillard. Er hat gerade erst einen Umzug nach Schweden hinter sich und wird in der kommenden Saison für IK Sirius IBK auflaufen. Für dem WFC 2022-Blog ist Luca sozusagen der “Auslandskorrespondent”.