Insgesamt vier Weltmeisterschaften durfte ich in meiner bisherigen Karriere erleben. Jede Weltmeisterschaft hat ihre eigene Magie und schreibt ihre eigenen Geschichten. Und diese Geschichten, die sind fürs Leben. Diese WM-Erlebnisse prägen und beeinflussen dich für deine Zukunft. Die Geschichten, welche auf dem Feld passieren, kennen die meisten bereits. Für heute möchte ich euch einmal ein paar Geschichten abseits des Spielfelds erzählen.
2014 in Göteborg – Unterwegs zuhause
Die erste Weltmeisterschaft ist sicher für jeden Spieler etwas ganz Besonderes. Ohne grosse Vorstellung, was mich erwarten würde, reiste ich als Rookie an. In Göteborg residierten wir in einem Hotel etwas ausserhalb der Stadt. Die Fahrt zum Austragungsort betrug über eine Stunde. Die langen Busreisen wurden, wo keine Fokuszeit nötig, mit der App «Fun Run» überbrückt. Das unterhaltsame Spiel führte zu hitzigen teaminternen Duellen und verkürzte uns die lange Fahrzeit. Die Entfernung zum Austragungsort hatte aber auch seine Vorteile: das Hotel «gehörte» dem Team Schweiz. Diese Tatsache nutzten wir für unsere eigene Art der Erholung. Unter freien Himmel wurde eine Tonne mit Wasser gefüllt, welche über Nacht gefror. Die Tonne stand direkt vor dem Hallenbad und wir gewöhnten uns an, nach dem Eisbad noch kurz in den gewärmten Pool zu springen – meistens ganz ohne Badehose. Ein seltsames und wohl auch einmaliges Gefühl nackt im Hotelpool zu schwimmen. Diese Geschichte widerspiegelt für mich genau das Gefühl, welches ich von der Unterkunft in Göteborg mitnehme: ich war zu Hause. Die Türen unserer Zimmer waren immer offen und wir waren unter uns. Vor der Nachtruhe haben wir uns jeweils im Cheminée-Raum versammelt und uns mit teils sehr privaten Geschichten noch näher und besser kennen gelernt. Trotz der Entfernung zu unseren Liebsten fühlten wir uns zuhause.
2016 in Riga – Nur mit Akkreditierung
In Riga befand sich das Eisbad auf dem Dach der Hotelanlage. Dem Hotelpool musste diesmal eine öffentliche Sauna weichen, welche selbstverständlich in angemessener Bekleidung besucht wurde. Deutlich in Erinnerungen bleiben, werden mir die Sicherheitskräfte rund ums Stadion in Riga. Wer bei der Ankunft in der Halle einen kurzen Blick auf das laufende Spiel werfen wollte, wurde umgehend ermahnt und weggeschickt. Die Aufenthaltsberechtigungen wurden sehr strikt und bürokratisch eingehalten. Wer zudem ohne Akkreditierung die Garderobe verlassen hatte – sei es für das Warm-Up oder Cool -Down – hatte Schwierigkeiten, wieder Eintritt in die Zone für Spieler zu erhalten. Der Einlass wurde einem verwehrt, auch wenn die Teamkameraden (in identischer Kleidung) für einen bürgten. Keine Akkreditierung auf Mann – kein Einlass! Da nahmen es die Letten sehr genau. Ohne Probleme wurde uns der Eintritt im «House of Switzerland» gewährt, welches zum ersten Mal durchgeführt wurde. Das gemeinsame lockere Ausklingen des Tages nach den Spielen gab mir und dem Team während des Turniers viel Energie. Es ist immer wieder eine Freude, zu erleben, wie die Schweizer Community trotz nationaler Club-Rivalität an einer WM zu einer grossen Schweizer Unihockeyfamilie zusammenwächst. Durch das House of Switzerland hatten wir die Möglichkeit, diese Familie und das verbindende Gefühl auch während einer laufenden Weltmeisterschaft zu geniessen und viel Energie daraus zu ziehen.
2018 in Prag – das Fanfest
Die Spiele an einer WM sind nicht mit der Meisterschaft zu vergleichen. Grosse Arenen, viele Zuschauer, gute Stimmung erzeugen ein richtiges Unihockeyambiente. So paradox es klingen mag, aber je grösser das «Drumherum», umso besser kann ich mich auf das Spiel fokussieren. Dies hat wohl auch mit der Intensität und der Wichtigkeit der Spiele zu tun. Geschehnisse neben dem Feld und auf den Zuschauerrängen werden meistens kaum wahrgenommen. Die Ausnahme bildet ein Spiel in Prag. Während eines Powerbreaks in einem Gruppenspiel wurde ein Wettkampf zwischen zwei Fans ausgetragen, wer schneller ein Bier trinken kann. Für das Team Schweiz trat der Vater eines Spielers an, was dann auch auf der Bank bemerkt wurde. Nach dem Powerbreak ging es zwar dann fokussiert weiter, aber nach dem Spiel lieferte die Szene aber noch heiteren Gesprächsstoff. Diese Szene steht für mich auch sinnbildlich für die Atmosphäre und das Ambiente in Prag. Für mich war das die Weltmeisterschaft, an welcher die internationale Unihockeyeuphorie am meisten spür- und erlebbar war.
2020 in Helsinki – Leben in der Bubble
Die WM 2020 war wegen der Corona-Pandemie speziell. Der Zuschaueraufmarsch hielt sich in Grenzen, die totale Euphorie (wie in Prag) schwappte nicht im selben Ausmass über. Trotzdem konnten wir auch in Helsinki auf die grossartige Unterstützung vieler mitgereister Fans zählen. Trotz Pandemie und Restriktionen bei der Rückreise – Danke! Das war fantastisch und für uns immer wieder ein Highlight, auf den Rängen eine mitreissende Schweizer Stimmung zu spüren. Die Pandemie hatte auch Auswirkungen auf unseren Tagesablauf. Aufgrund der Restriktionen verbrachten wir noch mehr Zeit gemeinsam in unserer «Teambubble» im Hotel. Die alte Gefängniskapelle (unser Hotel war ein ehemaliges Gefängnis) diente uns als Speisesaal, aber auch als Aufenthaltsraum. Wenn wir nicht in der Halle waren, verbrachten wir die Zeit meist in der Gefängniskapelle. Nicht nur beim Essen oder Matchtheorien, sondern auch mit Dart, Tischtennis, Playstation, Jassen oder Siedler spielen. Diese gemütlichen Momente des Beisammenseins ausserhalb des Unihockeyfeldes werden mir noch lange in Erinnerung bleiben. Was mir auch in Erinnerung bleiben wird, ist die Temperatur. In der Trainingshalle war es sehr kühl – kein Wunder – draussen herrschten teilweise Temperaturen bis zu minus 20 Grad. Diese Temperaturen zwangen uns auch, unser Warm-Up und Cool-Down anzupassen. Es war draussen einfach zu kalt!
Nun freue ich mich auf weitere Geschichten an der Heim-Weltmeisterschaft in Zürich. Insbesondere aber natürlich auf die Begegnungen und Emotionen auf dem Feld, denn dies macht meine Liebe zum Unihockey aus.
Autor
Luca Graf, Captain der Männer-Nati
Seit 2013 ist Luca ein fester Bestandteil der Nati und teilt sich die Rolle des Captains mit Tim Braillard. Er hat zog nach Schweden um und spielte in der vergangenen Saison für IK Sirius IBK. Für dem WFC 2022-Blog ist Luca sozusagen der “Auslandskorrespondent”.